Wer hat die Geschichte des Landes in den vergangenen Jahrhunderten besonders geprägt? Hier eine subjektive Übersicht einiger bedeutender Bulgaren:
Ivan Alexander von Bulgarien
Ivan Alexander war Zar des Zweiten Bulgarischen Reiches von 1331 bis zu seinem Tod im Jahr 1371. Seine Herrschaft fiel in eine Zeit tiefgreifender politischer, militärischer und religiöser Umwälzungen, in der es ihm gelang, das Reich zeitweise zu stabilisieren und kulturell zu stärken, obwohl es letztlich geschwächt und gespalten an die Osmanen verlorenging.
Nach dem Sturz von Ivan Stefan im Jahr 1331 wurde Ivan Alexander durch einen Putsch an die Macht gebracht. Anfangs stärkte er seine Position durch militärische Rückeroberungen, insbesondere in Thrakien, und durch geschickte Bündnispolitik. So schloss er Frieden mit dem Byzantinischen Reich, sicherte sich durch dynastische Ehen Verbindungen zu den serbischen und byzantinischen Höfen und konnte mit einem Sieg in der Schlacht bei Rusokastro 1332 seine Autorität festigen.
Trotz dieser Erfolge sah sich Bulgarien in den folgenden Jahrzehnten zunehmenden äußeren Bedrohungen ausgesetzt. Die Osmanen begannen, in den Balkan vorzudringen, unterstützten Fraktionen im Byzantinischen Reich und fügten Bulgarien schwere Verluste zu, unter anderem durch den Tod von zwei Söhnen Ivan Alexanders in Kämpfen. Versuche, eine Allianz zwischen Bulgarien, Byzanz und Serbien gegen die Osmanen zu schmieden, blieben erfolglos. Zwar konnte Bulgarien noch einige Gebiete, darunter Plovdiv, zurückgewinnen, doch blieben diese Erfolge punktuell.
Innenpolitisch kam es unter Ivan Alexander zu einer folgenreichen Teilung des Reiches. Nachdem er in zweiter Ehe Sarah-Theodora heiratete, setzte er deren Sohn Ivan Šišman als Mitregenten ein, während sein älterer Sohn Ivan Sratsimir in Vidin weitgehend eigenständig herrschte. Diese Aufteilung schwächte das Reich langfristig und erleichterte später den osmanischen Vormarsch.
Ein bedeutender Aspekt seiner Herrschaft war jedoch die kulturelle Blüte, die als „zweites goldenes Zeitalter“ Bulgariens gilt. Ivan Alexander förderte das orthodoxe Christentum, ließ zahlreiche Klöster und Kirchen errichten oder restaurieren und unterstützte die literarische und theologische Produktion. Zu den herausragenden Werken dieser Zeit zählen das „Tetraevangelium des Zar Ivan Alexander“ und die Übersetzung der Manasses-Chronik. Auch die hesychastische Bewegung innerhalb der orthodoxen Kirche fand unter ihm Unterstützung.
Ivan Alexander starb am 17. Februar 1371. Nach seinem Tod war Bulgarien durch Erbteilungen zersplittert: Ivan Šišman herrschte in Tarnowo, Ivan Sratsimir in Vidin, und im Nordosten hatte sich Dobrotiza eine unabhängige Stellung erarbeitet. Diese Zersplitterung schwächte das Reich entscheidend und machte es anfällig für die osmanische Expansion, die wenig später zur völligen Eroberung Bulgariens führte.
Ivan Alexander bleibt als Herrscher in Erinnerung, der in einer Zeit des Umbruchs bemerkenswerte kulturelle und politische Leistungen vollbrachte, dessen innenpolitische Entscheidungen jedoch letztlich die Einheit des Reiches untergruben.
Kalojan – Zar von Bulgarien (1196–1207)
Kalojan, auch bekannt als Ioanitsa oder Ioan II., war der jüngste Bruder der Begründer des Zweiten Bulgarischen Reiches, Iwan Assen I. und Theodor-Petar (Zar Petar II.). Er wurde um 1170 geboren und verbrachte einen Teil seiner Jugend als Geisel in Konstantinopel, kehrte aber um 1189 nach Bulgarien zurück.
Nach der Ermordung seines Bruders Petar II. im Jahr 1197 wurde Kalojan Alleinherrscher. Er führte sofort militärische Kampagnen gegen das Byzantinische Reich und konnte zahlreiche Gebiete zurückerobern. 1201 eroberte er die stark befestigte Stadt Warna, wobei er die byzantinische Garnison hart bestrafte – ein Vorgehen, das ihm den Beinamen „Römermörder“ einbrachte, als Kontrast zum byzantinischen „Bulgarentöter“ Kaiser Basileios II.
Um seine Herrschaft international anzuerkennen, schloss Kalojan 1204 eine Union mit Papst Innozenz III. Der Papst erkannte ihn als „König der Bulgaren und Walachen“ an, doch Kalojan selbst benutzte weiterhin die kaiserliche Titulatur „Zar“. Die Union hatte vor allem politischen Charakter und diente Kalojan als Mittel zur Legitimierung gegenüber dem Westen.
In der Folgezeit nutzte Kalojan den Zerfall des Byzantinischen Reichs nach dem Vierten Kreuzzug geschickt aus. Er führte erfolgreiche Feldzüge gegen die Kreuzfahrer des neu gegründeten Lateinischen Kaiserreichs. 1205 errang er bei der Schlacht von Adrianopel (Ohrid) einen entscheidenden Sieg, bei dem der lateinische Kaiser Balduin I. gefangen genommen wurde. Dieser starb später in bulgarischer Gefangenschaft. Auch in den folgenden Jahren setzte Kalojan seine Angriffe fort, insbesondere in Thrakien und Makedonien, und konnte zahlreiche Städte unter bulgarische Kontrolle bringen.
Kalojan erwies sich als geschickter Stratege und Diplomat. Er verstand es, Allianzen mit den Kumanen zu schmieden, religiöse Anerkennung als politisches Mittel zu nutzen und militärisch flexibel zu agieren. Seine Herrschaft bedeutete eine Phase der Expansion und Stärkung des bulgarischen Staates.
Im Oktober 1207 kam Kalojan bei der Belagerung von Thessaloniki unter ungeklärten Umständen ums Leben. Ob er durch Krankheit oder durch ein Attentat starb, ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Sein Tod markierte das Ende einer aktiven Expansionspolitik. Unter seinem Nachfolger Boril begann eine Phase der politischen Schwächung.
Kalojan gilt als einer der fähigsten mittelalterlichen Herrscher Bulgariens – ein Anführer, der durch Diplomatie, militärisches Geschick und kluge Machtpolitik den Einfluss Bulgariens in Südosteuropa maßgeblich stärkte.
Vasil Levski – Nationalheld und Freiheitskämpfer
Vasil Levski, mit bürgerlichem Namen Vasil Ivanov Kunchev, wurde am 6. Juli 1837 in Karlowo im damaligen Osmanischen Reich geboren. Er gilt als einer der bedeutendsten Freiheitskämpfer in der Geschichte Bulgariens und wird oft als „Apostel der Freiheit“ bezeichnet.
Ursprünglich war Levski orthodoxer Mönch und trug den Namen Ignatius. Doch er verließ das Klosterleben, um sich dem Kampf für die nationale Unabhängigkeit Bulgariens zu widmen. Nach Erfahrungen im Exil, unter anderem in Serbien, erkannte er, dass die Befreiung nicht von außen, sondern von innen organisiert werden müsse. In diesem Geist gründete er die Interne Revolutionäre Organisation, ein geheimes Netzwerk von Komitees im gesamten Land, das den bewaffneten Aufstand gegen die osmanische Herrschaft vorbereiten sollte.
Levski verfolgte eine radikale Vision: die Gründung einer freien, demokratischen Republik Bulgarien, in der alle ethnischen und religiösen Gruppen gleichberechtigt leben sollten – unabhängig davon, ob es sich um Bulgaren, Türken, Juden oder Roma handelte. Seine Ideen waren stark von der Aufklärung und der Französischen Revolution beeinflusst. Er propagierte Gleichheit, Rechtstaatlichkeit und eine säkulare Gesellschaft.
Im Dezember 1872 wurde Levski während einer seiner geheimen Missionen in Bulgarien verhaftet, nachdem er verraten worden war. Trotz intensiver Verhöre blieb er standhaft. Im Februar 1873 wurde er in Sofia gehängt. Sein Tod war ein schwerer Schlag für die bulgarische Befreiungsbewegung, doch seine Ideen und Strukturen überlebten ihn und beeinflussten entscheidend die späteren Aufstände, insbesondere den Aprilaufstand von 1876.
Heute wird Levski in Bulgarien als Nationalheld verehrt. Zahlreiche Straßen, Schulen, Plätze und Institutionen tragen seinen Namen. In seiner Geburtsstadt Karlowo sowie in anderen Städten wie Lovech und Kakrina befinden sich Museen zu seinem Leben und Wirken. Er gilt als Symbol für Mut, Idealismus und den Einsatz für Freiheit und Gerechtigkeit – über ethnische und religiöse Grenzen hinweg.